Montag, 30. Mai 2011

Die Krise der Ökonomie, die Krise der Politik

Ökonomen sind seit der Wirtschaftskrise überall in gewisse Bedrängnis geraten. Ihre Modelle erwiesen sich als völlig unzureichend die Krise Vorherzusagen. Für eine Wissenschaft ist die mangelnde Fähigkeit die Realität in Modellen abzubilden eigentlich das Todesurteil. Nicht so in der Ökonomie. Mit religiösem Eifer werden die Wachstumsmodelle der Neoklassik für Konjunkturprognosen weiter unverändert herangezogen.

Mit den gleichen Modellen die vor der Krise so jämmerlich versagten prophezeien uns die "Wirtschaftsweisen" neue Höhenflüge der Konjunktur. Ein Umdenken hat weder in den Instituten noch der Politik stattgefunden. Die Krise kam und ging, aber trotz der Lippenbekenntnisse der Politiker kam es zu keinen nennenswerten Regulierungen. Kritische Stimmen werden zwar immer lauter kommen aber gegen den Chor der Neoklassiker und Deregulierer nicht an. Dieser Chor wird vor allem bestimmt durch die größte Vereinigung von Ökonomen Weltweit, der AEA.

Die AEA (American Economics Association), mit ihren 22 000 nicht nur US-Amerikanischen Mitgliedern, bestimmt Global den wissenschaftlichen Mainstream. Die AEA gibt 7 Journale heraus die Global die wichtigsten  wissenschaftlichen Veröffentlichungen in der Ökonomie darstellen.

Eine gegenteilige Meinung zu diesem wissenschaftlichen Mainstream zu veröffentlichen ist in anderen wissenschaftlichen Zeitschriften und in den restlichen Medien nicht möglich, oder zumindest sehr schwierig (so höre ich).

Natürlich sind die großen Ivy league Universitäten diejenigen die in diesen Journalen die entscheidenden Veröffentlichungen platzieren.

Unter ihnen die bekanntesten verfechter totaler Deregulierung wie Lawrence Summers (Präsident der Harvard University seit 2001) oder Glenn Hubbard (Director der Columbia University Graduate School of Business). Summers und Hubbard waren als wissenschaftliche Berater die Hauptverantwortlichen für den Deregulierungskurs der Bush Regierung. Summers war bis 2011 auch wichtigster wissenschaftlicher Berater der Obama Regierung.

Sowohl Summers als auch Hubbard wurden für ihr Eintreten für diesen Deregulierungskurs von den großen Investmentbanken reich belohnt.

Während es in allen anderen Wissenschaftsbereichen erforderlich ist die Quellen der Forschungsgelder zu benennen und etwaige Interessenskonflikte aufzuzeigen, kann in der US Amerikanischen Ökonomie jegliche Veröffentlichung reich entlohnt werden ohne, dass dies auf der Veröffentlichung erwähnt werden muss. Hubbard und Summers sind beide inzwischen Multimillionäre.

Natürlich sind Hubbard und Summers besonders prominente Vertreter der gekauften Ökonomie, aber sicherlich keine Ausnahme. Diese beiden Beispiele zeigen auch, wie gut die Drehtüren zwischen Wirtschaft, Politik und Wissenschaft inzwischen in den USA funktionieren. Wissenschaftler wechseln in die Finanzindustrie oder die Politik und andersherum.

Die Lobbygruppen der Finanzindustrie tun ihr übriges dazu um die Parlamente und öffentlichen Ämter in ihrem Sinne zu besetzen. Die Durchdringung ist inzwischen absolut. Ich denke, keiner kann mehr sagen wo in den USA die Wirtschaft anfängt und die Politik aufhört und die Wissenschaft ist dabei mitten drin.

Die Handlungsunfähigkeit Obamas bei der Regulierung der Finanzmärkte ist total. Ich gehe davon aus, dass er persönlich die versprochenen Regulierungen durchsetzen wollte, aber angesichts des Widerstandes der Abgeordneten/Senatoren beider Parteien und beider Häuser, die längst tief in der Tasche der Finanzindustrie sind, nicht durchsetzen konnte.

Viele dieser Erkenntnisse verdanke ich der großartigen Dokumentation "Inside Job". Auf der DVD sind neben dem eigentlichen Film auch zahlreiche weitere Interviews zu finden.

Unter anderem Ausschnitte aus einem Interview mit Dominic Strauss Kahn. Auf die Frage ob DSK der Aussage zustimmen würde, dass das Weisse Haus fest in der Hand der Finanzindustrie ist, ist seine Antwort :"Ja, im weitesten Sinne".Gerade angesichts der jüngsten Ereignisse um die Person DSK halte ich dies für eine sehr bemerkenswerte Äusserung.

Dies sind also die Zustände in den USA. Wissenschaft, Politik und Medien sind fest in der Hand der großen fünf Investmentbanken und werden es bleiben.

Wie sieht es in Europa und dem rest der Welt aus?

Europäische Wissenschaftler sind nicht ganz so frei darin sich für ihre Veröffentlchungen von den Investmentbanken bezahlen zu lassen. Da aber die AEA bestimmt wer wann was Veröffentlicht, bestimmt der amerikanische Mainstream auch über den Werdegang europäischer Ökonomen. Unsere Politik wird von einer ausgewählten Schar von Ökonomen beraten die innerhalb dieser Konstellation Karriere machen konnten.

Die größe des Einflußes der Investmentbanken und (ihrer) politischen Berater auf die europäischen Politiker wird uns in der (nicht)bewältigung der Euro Krise(?) wieder deutlich vor Augen geführt. Auch in Deutschland ist die Regierung gegenüber der Deutschen Bank vollkommen handlungsunfähig. Herr Ackermann bestimmt über die Politik, nicht umgekehrt.


Inzwischen regt sich Unmut über diese Konstellation unter den Ökonomen die gerne Wissenschaft betreiben würden. Diese Ökonomen gibt es durchaus zu genüge auf der Welt, aber sie haben bisher keine Stimme. Aus diesem Grund gründeten Ökonomen aus der ganzen Welt die WEA (World Economics Association). Diese scheint großen Zulauf zu haben und bemüht sich um Unabhängigkeit.

Wie auch immer diese Entwicklung weitergeht, folgende Überzeugungen habe ich aus der Beschäftigung mit der Politik der Wirtschaftswissenschaften mitgenommen:

  1. Den wissenschaftlichen Institutionen der Ökonomie ist nicht zu trauen.
  2. Keiner Veröffentlichung in der (Mainstream) Ökonomie ist daher zu Trauen
  3. Ökonomie ist daher keine Wissenschaft
  4. Ökonomie ist Politik.
  5. Ökonomie ist gekauft vom Kapital (Investmentbanken, Fonds etc.).
  6. Politik ist daher gekauft vom Kapital.
  7. Ökonomie soll in den Augen des Kapitals einzig die Legitimation der skrupellosen Bereicherung liefern.
  8. Wirtschaftspolitik richtet sich daher immer gegen das Gemeinwohl.
Nachtrag: hier ein Beitragvon dem US Amerikanischen Wirtschaftsjournalisten  Robert Scheer. "Geithner and Goldman, Thick as Thieves" (Truth Dig 31.05.2011).

“The Guys From ‘Government Sachs’ ”

"Geithner’s priorities were all too obvious from his days in the Clinton administration’s Treasury Department when he worked first under former Goldman honcho Robert Rubin and then Lawrence Summers, who took six-figure speaking fees from Goldman and other banks while he was an adviser to candidate Obama. It was the recommendation of Rubin and Summers that landed Geithner the job as president of the New York Fed, where he faithfully followed the policy lead of Goldman-CEO-turned-Treasury-Secretary Henry Paulson."

Auch Timothy Geithners Karriere wechselt munter zwischen Wissenschaft, Politik und Wirtschaft hin und her, genau wie die von Henry (Hank) Poulson (US-Finanzminister/früher CEO von Goldmann Sachs), genau wie Robert Rubin...

Siehe hierzu auch diesen Bericht von Lobby Control.

Guter Artikel dazu bei "Real World Economics".

    5 Kommentare:

    1. Beachtlicher Artikel! Beeindruckendes Resuemee!
      Willkommen im Club!

      Ich knabbere nun schon eine ganze Weile an dieser Sache. 1993 fielen mir einige merkwuerdige Entwicklungen auf, aber ich hatte ehrlich gesagt in meinem Ingenieur Wolkenkuckuckusheim keine Ahnung. 1997 kam ich dann mit der sog. Asienkrise und ihren Folgen in unmittelbare Beruehrung. Ich lernte dabei die Bedeutung der Nomenklatur kennen. Die Entwicklung der sog. Dotcom Blase habe ich anschliessend im Zentrum des Orkans (97 bis 99 in Santa Clara, Ca) miterleben duerfen. Auffaellige Merkwuerdigkeiten und das Begreifen der Bedeutung der Nomenklatur wurden dort durch persoenliche Betroffenheit vor Ort erweitert. Die aktuelle Weltwirtschaftskrise und ihre Folgen, die ich sowohl hier in Europa und auch in Suedost Asien, im Timesharing, miterlebe, verfestigen daher bei mir eine Sicht, die Sie, wie ich finde, sehr gut in Ihren 8 Punkten ausformuliert haben.
      Ich hatte mich der Sache zunaechst meiner Ausbildung entsprechend ingenieurmaessig genaehert. Nach dem Motto: "Wirtschaft muss eigentlich auf einem Blatt DIN A4 mit etwas Mathematik zu erklaeren sein." Ich bastle seit dem immer noch am mathematischen Modell und seinen Feinheiten. Viel entscheidener fuer mich war aber die Erkenntnis der Bedeutung von Macht und den Konzentrationsprozessen, die diese befoerdern. Ich werde seitdem nicht muede darauf hinzuweisen, dass das Thema "Power Structure Research" unbedingt mit einbezogen werden muss, wenn man die Zusammenhaenge der Entwicklungen, denen wir bedauerlicherweise beiwohnen muessen, einigermassen verstehen moechte. Ich empfehle daher Krysmanski als Einstieg. Mit seinem Schalenmodell als "Overlay" ueber die wirtschaftlichen Strukturen und die diese ausbildendenden Strukturbildungsprozesse, wurde mir so manches klarer.

      Herzliche Gruesse
      Georg Trappe

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    2. By the way. Die verlinkte Web Site zum Film "Inside Job" verweist bei der Frage "What can you do?" auf die amerikanische Frustdrainage Facebook. Ich denke in bewusster Erinnerung an europaeische, aufklaererische Traditionen:
      Da geht deutlich mehr!
      Sapere Aude!
      Georg Trappe

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    3. Zitat:"Da geht deutlich mehr!"

      Hallo Herr Trappe,

      im gegensatz zu den Deutschen Medien halte ich die #spanishrevolution weder für Naiv noch für Planlos.

      Im Gegenteil. Die wissen genau wem sie diese Misere zu verdanken haben. Genau gegen die oben beschriebene Blockade unserer Demokratie richtet sich der Protest.

      Das ist erst der Anfang. Sobald die Nahrungsmittelpreise weiter steigen und die Austeritätspolitik richtig losgeht wird es nicht bei einigen Zehntausend in Spanien bleiben.

      Ich kann die Angst der Politikier förmlich riechen.

      The times they are a changing.

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    4. An der Witterung, die Sie aufgenommen haben, ist was dran. Man kann tatsaechlich spueren, welche Beunruhigung davon ausgeht, das junge Menschen in Spanien sich nicht hinter einem Computerbildschirm verkriechen, sondern die Oeffentlichkeit suchen, um ihren Anliegen lautstark Gehoer zu verschaffen. Die Methodik, mit der in Deutschland versucht wird, ein Uebergreifen dieser aktiven, oeffentlichen Bekundung von legitimen Interessen junger, betroffener Menschen im Keim zu ersticken, ist ein wirklich beschaemendes Beispiel dafuer, wie es um die Republik, der ihr innewohnenden Machtstrukturen, ihre Medien und die angebliche Demokratie mal wieder bestellt ist. Hugenberg 2.0 laesst gruessen.
      GT

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    5. Meiner Erfahrung nach spielen diese Medien keine Rolle mehr wenn es darum geht junge Menschen zu erreichen. Die Medien erreichen ohhnehin nur noch die älteren.

      Die Funktion der online communities als Werkzeug des Widerstands ist auch bei uns vollzogen. Auch Sie sind ein Teil davon.

      Bisher trägt es sich genau so zu wie Gerald Celente es vorhergesagt hat.

      Hier kann man sich ein recht aktuelles Interview von ihm anhören. Lohnenswert.
      http://kingworldnews.com/kingworldnews/Broadcast/Entries/2011/5/27_Gerald_Celente.html

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