Dienstag, 18. März 2014

Die Krim und der permanente Kriegszustand der Welt

Dies ist ein Versuch anhand der Situation der Krim das Augenmerk auf die geopolitischen Strategien der globalen Mächte zu richten. Als erstes muss man verstehen, dass Geopolitik eine sehr kalte und nüchterne Grundhaltung zugrunde liegt (die ich trotz dieser zynischen Analyse nicht Teile). Der Gedanke es würde irgendeine globale Macht den Wiener Konventionen irgendeine Beachtung schenken ist höchst abwegig. Die Liste Völkerrechtsverletzungen aller Beteiligter reicht von Berlin bis zur Krim.

"In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt." -Egon Bahr

Um Geopolitik zu verstehen, darf man diese ebenfalls nicht mit der Innenpolitik der Länder verwechseln, egal wie man zu dieser steht. Man mag die Innenpolitik des einen Landes besser finden als die eines anderen, die Aussenpolitik wird davon selten betroffen. Werte und Rechte die man der eigenen Bevölkerung zugesteht spielen in der Geopolitik eines Landes eine sehr untergeordnete Rolle.

Geopolitisch handeln alle Beteiligten im Grunde auf der gleichen (moralischen?) Ebene. Betrachtungen über "Böse und Gut" helfen einem nicht weiter. Kalte strategische Überlegungen allein bestimmen das aussenpolitische Handeln. Geopolitik ist zudem permanenter Kriegszustand.

Tatsächlich wurde der kalte Krieg von den USA nie beendet. Die amerikanische Wirtschaft hätte schon ein Ende der massiven Rüstungsausgaben am Ende des zweiten Weltkrieges nicht überlebt, bzw, wäre in eine Rezession gesteuert. Dieser  permanente Kriegszustand prägt seit dem die globale Politik.

Man nennt dieses System das sich daraus Entwickelt hat auch die "permanent war economy" bzw. die permanente Rüstungswirtschaft. Die Miltärausgaben, sind es die laut dieser (überzeugenden) Theorie die USA seit Ende des 2. Weltkieges eigentlich am laufen halten. Krieg und Kapitalismus sind für die USA seit dieser Zeit also zwei Seiten der gleichen Medallie und sind auf unselige Weise und unweigerlich miteinander verknüpft.

"Well, that’s what the Pentagon system is about: it’s a system for ensuring a particular form of domination and control. And that system has worked for the purposes for which it was designed—not to give people better lives, but to “make the economy healthy,” in the standard sense of the phrase: namely, ensuring corporate profits. And that it does, very effectively. So you see, the United States has a major stake in the arms race: it’s needed for domestic control, for controlling the empire, for keeping the economy running. And it’s going to be very hard to get around that; I actually think that’s one of the toughest things for a popular movement to change, because changing the commitment to the Pentagon system will affect the whole economy and the way it’s run." 
 (Noam Chomsky. Understanding Power.)

Dieser permanente, latente Kriegszustand wird offenbar auch von Putin angestrebt. Diese Form des Kapitalismus wurde als der einzige Weg zur globaler Dominanz anerkannt und ist ein quasi ein Exportschlager der USA. Russland und China haben dieses System jeweils auf ihre Art kopiert. Die Legitimation dieses permanenten Kriegszustandes findet sich sowohl im Neorealismus als auch im Neoliberalismus. Grundvoraussetzung für die Aufrechterhaltung dieses Zustandes ist eine ständig wachsende Versorgung mit Ressourcen und Energie. Nur mit Öl lässt sich die Kriegsmaschine bewegen.

Führt so eine Situation in einen Weltkrieg? Ziemlich sicher nicht. Keine Seite hat wirklich ein Interesse an einer direkten militärischen Konfrontation. Das Hauptinteresse des permanenten Kriegszustandes ist nicht der Krieg sondern die Erhaltung der Militärindustrie, die Förderung der einheimischen Wirtschaft und die Sicherung der Ressourcen. Wie schon in meinem letzten Post über Geopolitik erwähnt, bin ich der Meinung, dass der wirtschaftliche Wettbewerb längst den Krieg im streben um globale Dominanz ersetzt hat.

Man kann daher davon Ausgehen, dass Beispielsweise die Interessen der Bevölkerung der Krim und der Ukraine für keine der beteiligten Seiten eine Rolle spielen. Ob in der Ukraine Demokratie oder Diktatur herrschen werden ist, wenn man sich die Geschichte betrachtet, für die Großmächte von untergeordnetem Interesse. Wichtig ist den Strategen allein welche Kontrolle man über die neue Regierung hat und ob diese dem eigenen Lager Zugang zu den gewünschten Ressourcen erlaubt.

Die Ukraine hat das Pech ein schwacher Staat zwischen starken Lagern zu sein der innerlich zerrissen ist. Ausserdem liegt sie in einer Region von großem strategischem und energiepolitischem Interesse. Der Schwarzmeerraum ist ein Drehkreuz für die bedeutenden Energievorkommen Zentralasiens. An Russland kommt man im Moment in diesem Raum nicht vorbei. Die Kontrolle der dortigen Pipelines und die militärische Vormachtstellung im Schwarzen Meer bestimmen darüber wer in Zukunft auf diese Energievorkommen zugreifen kann und wer nicht.

 
Mit offenen Karten 11.07.2008. DasSchwarze Meer; Geopolitik der Pipeleines 
(Eingefügt  am 20.3)


Der Westen drängt daher mit Macht in diese Region vor. Russland hat es unter Putin allerdings gut verstanden sich zu wehren. Viele der Pläne der westlichen Ölkonzerne wurden von Russland durchkreutzt. In der neorealistischen/neoliberalen Denkweise der Geopolitik hat man Putin durch die Expansion aber langfristig zu einer Reaktion gezwungen.

Putin kann sich nicht damit abfinden ein erfolgreiches Rückzugsgefecht gegen den Vormarsch des Westens zu führen. Vor allem ein Verlusst des Militärhafens Sewastopol konnte Putin in diesem Spiel nicht akzeptieren, es sei denn es bestünde Gefahr einer direkten Konfrontation.

Die Annektion der Krim ist daher bestimmt keine Überraschung für die Strategen des Westens. Die USA hat nicht anders reagiert als die Marinebasen in Bahrain durch den arabischen Frühling in Gefahr waren. Jegliche Demokratiebestrebungen in Bahrain wurden mit Hilfe des Westens brutal im Keim erstickt.

Eine durchaus nicht unmögliche Antwort Putins auf die Expansion des Westens nach Osten wäre eine russische Expansion nach Westen. Dieses Interesse ist möglicherweise nicht auf die Schwarzmeerregion beschränkt. Putin will und kann im großen Spiel mitspielen. Ich denke nicht, dass sich Putin Beispielsweise mit der Seperation der baltischen Staaten unter seiner Präsidentschaft abgefunden hätte. Zu groß sind die wirtschaftlichen und strategischen Nachteile durch die Unabhängigkeit des Baltikums. 

Kaliningrad, der wichtigste eisfreie Militärhafen Russlands an der Ostsee, ist durch die Unabhängigkeit der baltischen Staaten eine extraterritoriale Enklave geworden. Das ist für Russland eigentlich eine militärisch unhaltbare Position. Das weiss auch der Westen. Jetzt, da man Putin zur Annektion der Krim getrieben hat, muss man Drohgebährden folgen lassen. Putin soll nicht auf Dumme Ideen in Estland und Lettland kommen. Man will schliesslich auf keinen Fall einen wirklichen Konflikt. Das aber weisss auch Putin. Man tut dem Protokoll mit dem Sanktionsgetöse genüge. Im Grunde wird man auf allen Seiten die Annektion der Krim als logischen Spielzug in diesem Spiel akzeptieren und Putin insgeheim dafür gratulieren.

Durch die Annektion der Krim durch Russland hat sich also trotz allem Säbelgerassel keine wesentliche Änderung in der Beziehung zwischen Russland und dem Westen ergeben. Eine Kriegsgefahr ist nicht größer oder kleiner als vor den Ereignissen in der Ukraine.

Seit 70 Jahren lebt unsere Welt in Folge des 2. Weltkrieges in einem System des permanenten Kriegszustandes, dass auf Ausbeutung von Menschen und Ressourcen beruht. Es dient der Erhaltung der Wirschaftsmacht, der globalen Dominanz, der Macht der Kapitalinteressen und der Unterdrückung sozialen Wandels. In diesen Zielen sind sich alle Großmächte einig. Dieser Zustand soll jedoch auf keinen Fall durch einen tatsächlichen symmetrischen Krieg gefährdet werden. Man balgt sich nur indirekt und im Geheimen.

Das System Geopolitik ist allein von Eigennutz und Gewinninteressen getrieben. Das dem System inherente Misstrauen zwischen den Beteiligten ist zu Groß um gemeinsames Handeln zu erlauben. Aus diesem System heraus sind Lösungen für die drängensten Probleme unserer Zeit unmöglich.

Globale Ungerechtigkeit, unmäßiger CO2 Ausstoß und die Plünderung der Ressourcen und Weltmeere werden also kein ein Ende finden so lange dieses System besteht. Aus sich heraus kann es keine Erneuerung geben. Ein gezähmter oder grüner Kapitalismus, die Illusion die sich viele machen, hat nie existiert und wird nie existieren. Niemand traut sich dieses System zu beenden.

Ein Ende ist jedoch Absehbar. Ab ca. 2017 wird es zu einem allgemeinen Rückgang der Verfügbarkeit nahezu aller Ressourcen kommen, vor allem der globalen Fördermengen an fossilen Brennstoffen. In Folge dessen ist der permanente Kriegszustand auf Dauer nicht mehr aufrechtzuerhalten. Wie sich die Welt durch diese Entwicklung verändern wird bleibt abzuwarten.

Siehe auch:
Monde Diplomatique. The economic disaster that is military keynesianism
Guardian: Ukraine crisis is about Great Power oil, gas pipeline rivalry


1 Kommentar:

  1. Kooperation ist in diesem Wirtschaftssystem nicht möglich, tatsächlich ist der Verdrängungswettbewerb im "mergers endgame" im vollen Gange. Fressen oder gefressen werden, wobei die Idee, dieses sinnlose Gefecht einzustellen, von vornherein verworfen wird. Klassisches Gefangenendilemma aus der Spieltheorie. Eine Ökonomie, die zum Selbstzweck geworden ist.

    Hier der Link zu einer Übersetzung von Putins Rede zur Krim, passt zum Thema: http://www.chartophylakeion.de/blog/2014/03/18/putins-rede-zum-beitritt-der-krim/

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